Vom 16. bis 18. Juni 2013 fand in Wien ein Treffen der großen deutschsprachigen Mediationsverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz statt, anlässlich dessen die "Wiener Erklärung" unterzeichnet und beschlossen wurde, den 18. Juni zum "Tag der Mediation" zu erklären. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum diesjährigen Tag der Mediation besuchte der Verein „Väter ohne Rechte“ eine Pressekonferenz und stellte auch dort fest, dass das Thema Mediation besonders für die Lösung von Familienkonflikten Beachtung findet. Dieser Fokus spiegelte sich auch in der Besetzung des Podiums wieder.
Dieser Beitrag gliedert sich in zwei Teile
1. allgemeine Informationen zur Mediation
2. Auszüge aus der Veranstaltung
Mag. Katharina Braun, Rechtsanwältin, spezialisiert u.a. auf Familienrecht, Mediatorin, Moderatorin und Mitveranstalterin
Prof. Dr. Med. Martina Leibovici-Mühlberger, Psychotherapeutin, Gynäkologin, Autorin, Mediatorin, Preisträgerin des Children Planet Awards
Dr. Susanne Kleindienst-Passweg, Richterin, Mediatorin, Pilotprojekt: gerichtliche Streitbeilegung
Gottfried Kühbauer, Mediator, diplomierter Lebens- und Sozialberater
DSA Christine Laimer, Geschäftsführerin Wiener Familienbund
Dr. Leopold Popp, Richter Bezirksgericht Deutschlandsberg
Mag. Doris Täubel-Weinreich, Richterin BG Innere Stadt, Vorsitzende der Fachgruppe Familienrecht
Mag. Ullrich Wanderer, Mediator
Dr. Eva Wexberg, Rechtsanwältin, Mediatorin, CL-Lawyer
Allgemeines zur Mediation
Mediation ist ein strukturiertes freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes, bei dem unabhängige „allparteiliche“ Dritte die Konfliktparteien in ihrem Lösungsprozess begleiten. Die Konfliktparteien versuchen dabei, zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Der allparteiliche Dritte trifft keine eigenen Entscheidungen bezüglich des Konflikts, sondern ist lediglich für das Verfahren verantwortlich.
Die Mediation entwickelte sich aus der Praxis der außergerichtlichen Konfliktregelung.
Wichtigste Grundidee der Mediation ist die Eigenverantwortlichkeit der Konfliktparteien: Der Mediator ist verantwortlich für den Prozess, die Parteien sind verantwortlich für den Inhalt. Dahinter steht der Gedanke, dass die Beteiligten eines Konflikts selbst am besten wissen, wie dieser zu lösen ist, und vom Mediator lediglich hinsichtlich des Weges dorthin Unterstützung benötigen.
Laut EU Studie Neustart werden in Österreich zwischen 500 und 2000 Mediationen durchgeführt. Im Juni 2015 waren 2411 Mediatoren in der vom Bundesministerium für Justiz geführten Liste eingetragen. Eine Mediation dauert im Schnitt 7,5 Stunden.
Freiwilligkeit und Verschwiegenheit
Prinzipiell setzt die Mediation eine Freiwilligkeit beider Parteien voraus, daher eignet sich dieses Verfahren besonders im Vorfeld von Trennungen, bevor es zu langwierigen Gerichtsverfahren kommt. Die Mediatoren sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, da gerichtsstrategische Überlegungen keinen Raum einnehmen sollen und die beiden Medianten sich ohne Befürchtung eines verfahrensrelevanten Nachteils äußern können. Die Verschwiegenheit ist im § 18 des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes geregelt.
Aktuelle Rechtslage und verpflichtende Mediation
Seit dem 1.2.2013 hat gemäß § 95 1a Außerstreitgestz bei einer einvernehmlichen Scheidung verpflichtend eine Elternberatung stattzufinden, um den Elternteilen die spezifischen aus der Scheidung resultierenden Bedürfnisse ihrer minderjährigen Kinder näher zu bringen.
Nach § 107 Abs 3 Außerstreitgesetz hat das Gericht in Obsorge-und Kontaktrechtsverfahren zur Sicherung des Kindeswohls erforderliche Maßnahmen anzuordnen, darunter kann neben einer Eltern- bzw. Erziehungsberatung auch eine Mediation angeordnet werden. Die Krux an der Sache ist die, dass nur ein erster Besuch gerichtlich vorgeschrieben werden kann, nicht eine Teilnahme am kompletten Mediationsprozess.
Nach Beendigung der gerichtlich angeordneten Mediation erhält das Gericht ausschließlich eine Information über das zeitliche Ausmaß und ob bzw. welche Vereinbarung getroffen worden ist, es erfolgt aber keine inhaltliche Stellungnahme oder Empfehlung.
Co-Mediation
Häufig kommt es zu Befürchtungen der Medianten, dass aufgrund des Geschlechts des Mediators eine Benachteiligung zu erwarten ist. Sowohl die Richterschaft als auch die Mediatoren begegnen diesen Ängsten damit, dass auch eine Co-Mediation möglich ist. Häufig haben diese dann sogar unterschiedliche Fachkompetenzen, z.B. eine(r) mit juristischer und eine(r) mit psychologischer Ausbildung. Dieses Setting kann durchaus als ideal bezeichnet werden, allerdings besteht darauf weder ein Rechtsanspruch noch wird dieses Setting flächendeckend österreichweit angeboten.
Förderung von Mediation
Mediation ist nicht kostenlos, je nach Einkommenssituation und Anzahl der Sorgepflichten gibt es die Möglichkeit von finanziellen Förderungen, um den Selbstbehalt zu reduzieren.
Mediationsvertrag
Üblicherweise wird zu Beginn einer Mediation eine schriftliche Vereinbarung getroffen, häufig Mediationsvertrag genannt. Es ist wichtig zu wissen, dass die angeführten Punkte nicht in Stein gemeißelt sind, und jeder der Punkte eine veränderbare Diskussionsgrundlage darstellt. Besonders bekannt ist das Beispiel der eigenen Verpflichtung zu Verschwiegenheit. Häufig sehen solche Verträge vor, dass Inhalte aus den Gesprächsrunden nicht an Dritte weitergeben werden dürfen. Über Sinn und Unsinn solcher Vereinbarungen lässt sich vortrefflich diskutieren.
Auszüge der Pressekonferenz
Richter Dr. Lepold Popp betonte, dass er in seinen Verfahren bereits mehrfach Erfolge durch Mediation erreichen konnte. Er ist begeisterter Anhänger der gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg (Es gibt eine Vielzahl an Mediationsschulen) und er diese Methode nicht nur als Konzept, sondern als Haltung versteht.
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Mediator Mag. Ulrich Wanderer ist Herausgeber des Weka Handbuchs für Mediation und berichtete von den besonderen Herausforderungen bei Mediation zwischen Parteien unterschiedlichen Kulturhintergrunds und seinen Erfahrungen mit der Shuttlemediation, die zunächst Einzelgespräche vorsieht. Er erkennt treffend, dass häufig elterliche Eigeninteressen über das Kindeswohl gestellt werden, also die Kinder durchaus vom betreuenden Elternteil instrumentalisiert werden.
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Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger betonte, dass es sich bei einer Trennung/Scheidung um eine hochemotionale Ausnahmesituation handelt, der der Verlust eines Lebenstraums vorangeht und in der der ehemals geliebte Partner zum Feind mutiert. Häufig geht die Trennung mit einer kompletten Neuaufstellung des Lebens in vielen Partialen einher. Nicht selten werden dabei alte Traumen reaktiviert und ein enormes Schutzbedürfnis der gemeinsamen Kinder geäußert. Sie erkennt auch die Herausforderung für Richter, die den Wahrheitsgehalt der von beiden Parteien vorgebrachten Anschuldigungen beurteilen müssen. Häufig gelingt es beiden Parteien sehr authentisch, ihre pathologischen Wahrnehmungen zu schildern. Bildlich spricht Dr. Leibovici davon, dass der Richter beurteilen müsse, wer besser lügt.
Den Blickwinkel des Kindes betrachtet sie als wesentlichen Lösungsansatz, ihre einzige Mandantschaft ist das Kind. Mehrmals betonte sie das Recht des Kindes auf beide Elternteile, und der Erhalt dieser Ressourcen für das Kind hat oberste Priorität.
Sie würde eine Änderung des Meldegesetzes befürworten, damit die Kinder bei gleichteiliger Betreuung bei Vater und Mutter gemeldet sein können und berichtet von Fällen, bei denen die Doppelresidenz Vorteile für alle Familienmitglieder mit sich bringen würde. Anhand eines Fallbeispiels erzählt sie, dass aufgrund der Meldesituation der Vater auch bei gleichteiliger Betreuung keinen Anspruch auf eine geförderte Wohnung hat. Eine Meldung bei nur einem Elternteil drückt auch eine Wertigkeit, eine Hierarchie aus.
Während viele Mediatoren ‚Verpflichtung‘ und ‚Mediation‘ als einander ausschließend ansehen, merkt Dr.Leibovici zu Recht an, dass eine Elternberatung im Sinne der Kinder keinesfalls freiwillig sein sollte, sondern eine Anordnung jedenfalls möglich sein muss.
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Mag. Doris Täubel-Weinreich erklärt die Neuerungen der Familiengerichtshilfe mit all ihren Funktionen und berichtet danach von einer deutlichen Verbesserung der Kommunikationsbasis der Eltern. Eine Verfahrensverkürzung nimmt sie nicht wahr, allerdings gäbe es eine verbesserte Entscheidungsqualität und deutlich weniger Folgeverfahren. Sie erlebt, dass eine Einigung über das Aufteilen des Vermögens im Gegensatz zu früher wesentlich weniger emotional und deutlich schneller erreicht wird im Gegensatz zum ‚Kampf ums Kind‘.
Dabei betont sie, dass die Väter sich wesentlich mehr und bewusster in die Elternschaft einbringen, was sehr zu begrüßen ist. Gleich im Folgesatz erwähnt sie, dass während aufrechter Partnerschaft die Betreuung zum Großteil nur einer übernommen hat und sich die Väter erst nach der Trennung hier verstärkt einbringen. Dass die von Richtern erwartete Antragsflut auf eine gemeinsame Obsorge ausgeblieben ist begründet sie damit, dass im Unterschied zur deutschen Rechtslage ein Elternteil mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht benannt werden muss und daher ein solches Gerichtsverfahren relativ müßig ist, da eben eine gemeinsame Obsorge in Österreich keine Gleichberechtigung der Eltern bedeutet.
Dass die Doppelresidenz nicht Einzug in die Gesetzgebung gefunden hat ist eine politische Entscheidung. Mag. Täubel-Weinreich nimmt aber einen deutlichen Druck wahr, da der OGH kürzlich eine Entscheidung contra legem (entgegen dem Gesetz) diesbezüglich getroffen hat. Außerdem befasst sich der Verfassungsgerichtshof aufgrund eines Anrufes der Wiener Rechtsanwältin Mag. Britta Schönhart mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Doppelresidenz. 2016 wird es zu einer Evaluierung des Gesetzes kommen.
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DSA Christine Laimer schildert ihre Erfahrungen mit Besuchsbegleitung und Besuchscafes. Diese werden zu 90% durch Väter aufgesucht, um so wenigstens ein paar Stunden Kontakt zu den Kindern haben zu können. Die Kosten für den Elternteil betragen € 48,-- / Stunde und zusätzlich € 24,-- / Besuch. Dies ist für etliche Väter zu viel, zur Kostendeckung allerdings erforderlich. Eine Förderung von Besuchscafes umspannt 40 Stunden und kann nur einmalig (ganz wenige Ausnahmen) in Anspruch genommen werden, allerdings sind die Fördergelder meist (im Raum Wien) Ende Juni ausgeschöpft. Derzeit werden ca. 250 Familien vom Wiener Familienbund betreut, die durchschnittliche Dauer beträgt ein 1/2 bis 3/4 Jahr, vereinzelt gibt es langjährige Begleitungen. Etwa 2/3 bis 3/4 der Fälle werden letztlich erfolgreich abgeschlossen. Im Mai 2015 kam es zu einem „Ansturm wie noch nie“, die Gründe sind ihr unbekannt.
Sie erzählt von häufig auftretenden, teils massiven Beeinflussungen der Kinder, die den Vater zu Beginn nicht einmal begrüßen wollen. In diesen Fällen sollte das Gericht nach Meldung durch das Besuchscafe schnell eine gemeinsame Erziehungsberatung der Eltern anordnen. Sie erzählt sichtlich berührt von den Momenten, in denen die Kinder nach einigen Stunden freudig auf die Väter zulaufen.
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Gottfried Kühbauer betont – wenig überraschend – dass „zu Mediation immer zwei gehören und wenn einer nicht will, gibt’s keine Mediation“. Die Prozessfreudigkeit sieht er im Zusammenhang damit, inwiefern die Parteien sich finanzielle Vorteile aus der Prozessführung erhoffen, dem Ausmaß der Rache bzw. Kränkung sowie den finanziellen Möglichkeiten, den Prozess finanzieren zu können.
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Dr. Eva Wexberg stellt kurz das Modell des „Collaborative Laws“ vor, einem außergerichtlichen Konfliktlösungsmodell zur Erarbeitung einvernehmlicher Lösungen unter Einbeziehung eigens geschulter Rechtsanwälte, die, im Falle des Scheiterns des außergerichtlichen Lösungsversuches, nicht aussagen dürfen.
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Dr. Susanne Kleindienst-Passweg berichtet von einem Pilotprojekt der gerichtlichen Streitbeilegung, die von einigen Richtern freiwillig und unentgeltlich im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Richtervereinigung angeboten wird. Diese Möglichkeit kann von den Verhandlungsrichtern und von Anwälten angeregt werden und wird dann von anderen als den Verhandlungsrichtern abgehalten. Das Ziel ist eine schnelle Lösungsfindung, bei der sich die Parteien ‚öffnen‘ können, was in einem gerichtlichen Verfahren vor dem Verhandlungsrichter nicht der Fall ist. Bisher wurden ca. 100 Fälle begleitet, ab dem 1. August 2015 soll es zu einer Begleitforschung kommen. Zur Mediation meint sie, "Eine Mediation erlaubt den Betroffenen, selbst zu entscheiden und die Entscheidung nicht dem Gericht zu überlassen. Dieses Bewusstsein zu erhöhen könnte zu einer vermehrten Inanspruchnahme von Mediation führen."
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Der Verein Väter ohne Rechte kann auf einen großen Erfahrungspool vieler Väter zurückgreifen und kann einige Mediatoren empfehlen.
Eine mehrstündige Verpflichtung zur Mediation kann jedenfalls ein geeignetes Mittel sein, um die Kommunikationsverweigerung eines Elternteils aufzubrechen, wird doch genau diese mangelnde Kommunikationsbasis sehr häufig von Anwälten oder Richtern als Grund gegen eine gemeinsame Obsorge angeführt.