Sehr geehrte Fr. Angelika Hager,
mir fiel durch Zufall Heft Nr. 44 mit Ihrer Titelgeschichte, „das geschwächte Geschlecht“ in die Hände und als an dem Thema Interessierter habe ich Ihre Geschichte nicht zufällig gelesen. Auf der Suche nach einer Adresse von Ihnen fiel mir der online-Kommentar: „alles schon geschrieben, nur nicht vom profil - bis jetzt“ auf. Stimmt, es kommen keine neuen Argumente oder Elemente.
Und das ist mein Kritikpunkt an Ihrer Geschichte: sie übernehmen unreflektiert die ideologisch gefärbten Argumente einer bestimmten Gesellschaftsgruppe und versuchen mit Hinweisen auf den hochgeschätzten Hrn. Helmuth Figdor Ihrem Artikel Wissenschaftlichkeit zu verleihen.
Sie wiederholen leider ohne wissenschaftliche oder statistische Grundlage das Drama bei Trennungen und Scheidungen ohne sich darüber informiert zu haben wie folgt:
- Gewalt geht (in Beziehungen) mehrheitlich von Männern aus!
- Sie schulden noch die Definition von Gewalt (es gibt physische und psychische Gewalt in Familien) und bringen zum Beispiel nicht die vor ein paar Jahren veröffentlichte Hell-/Dunkelfeldstudie zu der Frage ob Gewalt männlich ist. Gewalt ist nämlich nicht männlich sondern in beiden Geschlechtern gleichverteilt vorhanden. Zumindest was die physische Gewalt betrifft. Bei der psychischen Gewalt gewinnen die Damen.
- Sie führen – und damit markieren Sie sich mit der von mir oben gemeinten Ideologie – den Anstieg der Wegweisungen nach SPG §38a (ohne diese Quelle zu zitieren) an. Und bringen nicht die Aussage der österreichischen Justiz, daß bis zur Hälfte dieser Wegweisungen justiziell abgewiesen werden, weil das Substrat fehlt und diese nur behauptet werden um an Ehegattenunterhalt nach der Scheidung heranzukommen. - Männliche Obdachlosigkeit nach Scheidung und Trennung
- Damit sind wir beim nächsten Problem: die strittige Scheidung mit Schuldausspruch und dem danach gerichtlich beschlossenen Ehegattenunterhalt bis ans Lebensende.
(Lebenslange) Unterhaltsschuld und Vermögensaufteilung führen zu wirtschaftlichen Konkursen meistens der Männer. Allerdings ist Unterhalt das einzige Substrat in Österreich, das eine Exekution unter das Existenzminimum zuläßt. 25% darunter, um genau zu sein. Es ist nach einer strittigen, schuldhaften Trennung einem Unterhaltsschuldner nicht mehr möglich ein Leben in einer eigenen Wohnung zu führen.
- Und dann gibt es als Draufgabe noch das Anspannungsprinzip, das erstaunliche Schuldenberge während der Zahlungsunfähigkeit erzeugt, so daß die betreffende Person sicher nie wieder an einem normalen Leben wird teilnehmen können.
Sie übersehen dabei völlig, daß die von Ihnen beschriebene Unfähigkeit des männlichen Geschlechtes Gefühle zuzulassen oder mit ihnen umzugehen, dazu führen würde, daß sich Männer (mangels emotionaler Reflexion) nach einer Trennung/Scheidung nicht in die Obdachlosigkeit stürzen. Es ist vielmehr eine seit 1811 im ABGB gelebte, bewußte wirtschaftliche und zwischenzeitlich auch physische Diskriminierung eines Geschlechts per Gesetz und von unseren Gerichten exekutiert. Ob zu Gefühlen fähig oder nicht: eine Person, die durch die Scheidungsindustrie ging und dort fertig gemacht wurde, verz(s)agt.
Nicht die fehlende Gefühlsreflexion, sondern die wohlerworbene Justizpraxis, gepaart mit dem diskriminierenden Gesellschaftsbild führt zu den von Ihnen beschriebenen Zuständen bei Männern.
Leider fällt Ihr Blatt, profil, immer wieder mit fehlender Objektivität, nicht vorhandener Wissenschaftlichkeit und übertriebener Ideologie auf:
- Die verlorenen Kinder, 2014
- Was für ein Papa bist Du, 2016
- Mängel in der Justiz, 2017
Schade,
Max Urban
P.S.: der Artikel findet sich unter https://www.profil.at/ausgaben/profil-1844